02/10/2020 0 Kommentare
Die erste DEAG-Anleihe (2018/2023)
Mit Versicherungsschutz und Anzahlungen durch die Krise
Dieser Anleihecheck betrifft die in 2018 emittierte Anleihe DEAG 2018/2023 über 25 Millionen Euro (6,0%) mit einer Laufzeit von 5 Jahren.
Geschäft:
Die DEAG Deutsche Entertainment AG organisiert und veranstaltet Konzerte, Tourneen und sonstige kulturelle „Live Events“ (z.B. Familienunterhaltung und Ausstellungen) und verkauft Tickets, bevorzugt über die renditestarke Plattform "MyTicket".
Da die Emittentin eine reine Holding ist, sind die Anleihegläubiger gegenüber den Banken der Tochtergesellschaften strukturell nachrangig, haben jedoch umfangreiche Zahlungs-Garantien durch die wichtigsten operativen Töchter.
Wegen der Corona-bedingten umfangreichen Veranstaltungsverbote halbierte sich der Konzernumsatz in den ersten 6 Monaten 2020 auf 32 Millionen Euro. Das EBITDA verschlechterte sich „nur“ von +3,1 auf -0,3 Millionen Euro; neben deutlichen Kosteneinsparungen bei Vertriebs- und Verwaltungskosten (v.a. durch Kurzarbeit) profitierte DEAG von 4,1 Millionen Euro Versicherungserstattungen für behördlich veranlasste Veranstaltungs-Absagen. DEAG erhielt bis Ende August zusätzliche 5 Millionen Euro Versicherungsentschädigungen und erwartet weitere mindestens 5 Millionen.
Das Eigenkapital, ohnehin nur 11% der Bilanzsumme, betrug zum 30.6.2020 mit 18 Millionen nur 55% des aktivierten Goodwill (33 Millionen). Im Gegensatz z.B. zu CTS Eventim wurde bisher noch keine Abwertung des Goodwillpostens wegen Corona vorgenommen, da man von einer „raschen Erholung“ der Branche nach Abschluss der Pandemie ausgeht. Der konkrete Einfluss des bis zum 31.12.2020 verlängerten Veranstaltungsverbots für bestimmte Großveranstaltungen in Deutschland hänge von Detail-Entscheidungen auf Bundesland-Ebene ab.
Für das Gesamtjahr 2020 werden ein „deutlicher“ Umsatzrückgang und ein „mindestens ausgeglichenes“ EBITDA prognostiziert. Bisher wurden die allermeisten Veranstaltungen nur verschoben und nicht abgesagt. Es wurden stattdessen neue Freiluft-Events mit besonderen Hygieneregelungen und Elektronik-Events durchgeführt. Im 4. Quartal deuten Kartenvorverkäufe für die etablierte und renditestarke Freiluft-Veranstaltung „Christmas Garden“ ein starkes Besucherwachstum an, sofern nicht doch noch Weihnachtsmärkte im weitesten Sinne verboten werden.
Zinszahlung:
Der Konzern-Cashflow vor Ertragsteuern und Zinsen schwankt im Zeitablauf mit den hohen erhaltenen Anzahlungen aus Ticket-Vorverkäufen sehr stark und war in 3 der letzten 5 Jahre negativ. Trotzdem sollten die Zinszahlungen für die Anleihe von jeweils 1,5 Millionen Euro im Oktober 2020 bis 2023 (31.10.) kein Problem sein: im 4. Quartal saisonal stets eine hohe Liquidität (z.B. 46 Millionen Euro in 2019), hohe Liquidität zum 30.6.2020 (40 Millionen; trotz des Umsatzeinbruchs deutlich höhere erhaltene Anzahlungen als in 2019) sowie 8,5 Millionen Euro ungenutzte Kreditlinien. DEAG profitierte von der gesetzlich vorgeschriebenen Gutscheinlösung: Ticket-Käufer müssen bei einem Veranstaltungsausfall im Regelfall einen Gutschein akzeptieren und können sich den Betrag erst ab 2022 bar auszahlen lassen.
Tilgung:
Zum Investorenvertrauen: Der Kurs der anfangs überzeichneten Anleihe notierte bis zur Corona-Krise seit Anfang 2019 durchweg über 105%. Vom Corona-Tief von unter 50% hat sich die Anleihe wegen der besonders durch Corona betroffenen Branche bisher mit rd. 80% bei weitem noch nicht so deutlich erholt wie die meisten anderen „Mittelstandsanleihen“. Die Aktie notiert nur geringfügig über dem März-Tief. Der Free Cashflow (Mittelzufluss laufendes Geschäft inkl. Zinsergebnis minus Investitionssaldo) war in 2019 und 2017 deutlich positiv, sonst meist negativ. Zum 30.6.2020 hat sich der saisonal wie üblich negative Free Cashflow immerhin verbessert. Das seit dem 31.12.2019 hohe Liquiditätspolster (das allerdings unter den erhaltenen Anzahlungen liegt) und die grundsätzliche Möglichkeit zur Kapitalbeschaffung am Aktienmarkt unterstützen die Tilgung in 2023, z.B. durch eine neue Anleihe. Allerdings sind auch eine deutliche Erholung von Branche und Investorenvertrauen notwendig.
Fazit:
Im ersten Halbjahr 2020 hat sich die DEAG beim Verlust nach Steuern (in Relation zu Umsatz und zu Vorjahr) besser gehalten als der deutlich größere und in normalen Zeiten deutlich renditestärkere Konkurrent CTS Eventim, v.a. begünstigt durch einen sehr weitreichenden Versicherungsschutz. Die restlichen 4 Zinszahlungen sollten problemlos möglich sein. Die Zukunft von kaum einer anderen Branche ist so abhängig von neuen Corona-Impfstoffen und -Schnelltests; deshalb sind zur Refinanzierung der Anleihe in 2023 noch keine konkreten Aussagen möglich. Das aktuell hohe Liquiditätspolster von 40 Millionen Euro könnte schrumpfen, wenn von den aktuell 52 Millionen erhaltenen Anzahlungen (130% der Liquidität) ab 2022 ein größerer Teil von Kunden zurückgefordert werden sollte (DEAG rechnet bisher nur mit 10%). Bei CTS Eventim betragen die erhaltenen Anzahlungen dagegen nur rd. 50% der Liquidität.
Die Bewertung durch das Scoring von URA Research, den URA Emissions Check, liegt bei 1 Haken (Notation „hohe Risiken“; von max. 5 Haken), wegen der besonders hohen Branchenrisiken versehen mit einem „watch“.
URA Research verwendet bei seiner Anleiheanalyse eine standardisierte Methode, die sich ausschließlich an den Interessen der Investoren orientiert. Zu den Kunden zählen Vermögensverwalter und Family Offices.
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